Wasserstoff: mit Vorsicht zu behandeln

Zum einen die Speicherung: Es braucht viel Energie, um Wasserstoff unter Druck zu setzen oder zu k¨¹hlen. Die kleinen und fl¨¹chtigen Molek¨¹le neigen dazu, durch viele Materialien zu diffundieren. Neue Ans?tze wie Nanomaterialien oder die Umwandlung von Wasserstoff in besser speicherbare Stoffe sind noch nicht ausgereift.¹ Die Speicherkosten sind hoch.²

Herausfordernd ist auch die Produktion.³ Heute wird fast aller Wasserstoff aus Erdgas hergestellt, wodurch viel CO₂ in die Atmosph?re gelangt. Diesen grauen Wasserstoff gilt es schrittweise auszumustern.

Blauer Wasserstoff entsteht ebenfalls aus Erdgas, wobei das CO₂ aufgefangen und dauerhaft unterirdisch gespeichert wird. Leider entweichen dabei grosse Mengen an Erdgas, vor allem Methan, ein starkes Treibhausgas.

Die sauberste Variante ist gr¨¹ner Wasserstoff und nutzt erneuerbare Energie, um Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff zu spalten. Dies ist allerdings ¨¹beraus ineffizient. Wird Wasserstoff letztlich zur W?rme- oder Stromerzeugung konsumiert, geht mehr als die H?lfte der aufgewendeten Energie verloren (siehe dazu diesen Blogbeitrag).

Neue Bedenken gegen¨¹ber Wasserstoff

Nun zeigt sich mit leckendem Wasserstoff ein weiteres Problem: Bis vor kurzem wurden Leckagen lediglich als wirtschaftlicher Verlust betrachtet ¨C doch es steht weit mehr auf dem Spiel. Entwichener Wasserstoff reagiert in der Atmosph?re mit den knappen OH-Radikalen, die Methan abbauen. Wasserstofflecks verl?ngern somit die Lebensdauer von Methan in der Atmosph?re.

Die Konsequenzen f¨¹r die Klimawirkung der Wasserstoffnutzung sind beachtlich.⁴ Szenarien, die nur gr¨¹nen Wasserstoff mit niedrigen Leckageraten verwenden, bieten klare Klimavorteile. Sobald jedoch blauer Wasserstoff in den Mix gelangt und die Verlustraten steigen, verschwinden die Vorteile bisweilen ganz. Ein Szenario mit 30 Prozent blauem Wasserstoff und Leckageraten von mehr als 3 Prozent w¨¹rde ¨¹ber einen Zeitraum von 20 Jahren die Atmosph?re st?rker erw?rmen als die fossilen Brennstoffe, die durch Wasserstoff ersetzt werden.⁵

Wie viel geht tats?chlich verloren?

Die Antwort ist, wir wissen es nicht, weil es nur sehr wenig Forschung dazu gibt. Man darf annehmen, dass Wasserstoff mehr Lecks aufweist als Erdgas, und Sch?tzungen f¨¹r Erdgaslecks gehen von ¨¹ber 3 Prozent aus.⁶ Die bisher umfassendste Studie beziffert die Wasserstoffverluste auf 2,9 bis 5,6 Prozent.⁷

Es gibt m?chtige Lobbygruppen, die politisch darauf dr?ngen, Wasserstoff so breit wie m?glich einzusetzen. Finanziert wird die politische Einflussnahme vor allem von der fossilen Energiewirtschaft, denn Produktion, Vertrieb und Verkauf von fl¨¹ssigen und gasf?rmigen Energietr?gern z?hlen zu ihrer Kernkompetenz.⁸ Viele Menschen sind, wie ich, ?usserst besorgt ¨¹ber die Konsequenzen der ehrgeizigen Wasserstoffpl?ne ¨¹berall in Europa, sowohl f¨¹r die Verbraucher:innen als auch f¨¹rs Klima.

Das heisst konkret: ?berall dort, wo eine direkte Elektrifizierung m?glich ist, zum Beispiel bei W?rmepumpen und batteriebetriebenen Elektroautos, werden die Stromkosten weitaus geringer sein als mit Wasserstoff. Unsere Energiemodelle zeigen zudem, dass eine durch Stromhandel mit Europa gew?hrleistete Versorgungssicherheit deutlich g¨¹nstiger ausf?llt als ein energieautarkes nationales Stromsystem mit Wasserstoffspeichern f¨¹r den saisonalen Produktionsausgleich.⁹

Die Politik ist bereits stark gefordert, gen¨¹gend erneuerbaren Strom bereitzustellen, um die fossilen Brennstoffe in den n?chsten 20 Jahren auszumustern. Kommt ineffizienter gr¨¹ner Wasserstoff dazu, wird dies noch schwieriger.¹⁰ Wenn der saubere Strom dann nicht ausreicht, um gen¨¹gend gr¨¹nen Wasserstoff zu produzieren, m¨¹ssen wir zur Not wieder auf blauen Wasserstoff zur¨¹ckgreifen ¨C und das sollten wir tunlichst vermeiden.

Den Einsatz auf sinnvolle Anwendungen beschr?nken

Der Schweizer Regierung ist es hoch anzurechnen, dass sie sich beim Wasserstoff viel zur¨¹ckhaltender zeigt als viele europ?ische L?nder. Der Bundesrat gab k¨¹rzlich bekannt, dass er Wasserstoff nur dort einsetzen will, wo nicht direkt elektrifiziert werden kann.¹¹ Ich hoffe, die Schweiz wird ihre Position behalten und dem Druck der Wasserstofflobby standhalten. Wir alle sollten vorsichtig mit Wasserstoff umgehen und ihn nur dort einsetzen, wo es keine besseren Alternativen gibt.

Dabei helfen k?nnten strengere Vorschriften, die den Einsatz von grauem oder blauem Wasserstoff k¨¹nftig verhindern. Auch k?nnte sich die Politik st?rker daf¨¹r einsetzen, dass die Schweiz weiterhin am europ?ischen Strommarkt teilnehmen kann. Schliesslich k?nnte unser Land Forschung zu Wasserstofflecks f?rdern, damit gr¨¹ner Wasserstoff m?glichst nicht zu Lasten des Klimas geht.