Stellenwert der Arbeit nimmt im Alter zu
Die dreizehnte Ausgabe des Schweizer HR-Barometers befasst sich mit dem Thema ?Sinn und Unsinn in der Arbeit?. Die Mehrheit der 2032 Befragten in der Schweiz empfindet ihre Arbeit als wichtig und sinnvoll, wobei dies ab 55 Jahren an Bedeutung gewinnt. Fast die H?lfte fühlt sich jedoch teils entfremdet, und die empfundene Langeweile ist im Vergleich zu vor 10 Jahren leicht gestiegen.
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In Kürze
- Für die Besch?ftigten in der Schweiz hat Arbeit grunds?tzlich einen hohen Stellenwert im Leben. Dennoch gibt ein Viertel an, sich gelegentlich bei der Arbeit zu langweilen.
- Fast die H?lfte der Arbeitnehmer:innen ist an einer traditionellen, sicherheitsorientierten Karriere innerhalb des Unternehmens interessiert. Dies ist ein deutlicher Anstieg gegenüber den Vorjahren.
- Im Vergleich zu 2014 ist die Bedeutung der Familie nahezu gleichgeblieben, w?hrend die Bedeutung der Erwerbsarbeit abgenommen und diejenige der Freizeit zugenommen hat.
Mit der Verbreitung von Künstlicher Intelligenz (KI) im Arbeitskontext wird die Frage nach dem Sinn und Unsinn von Arbeit immer relevanter. KI-Technologien haben das Potenzial, viele Aufgaben zu automatisieren und die Arbeitsweise grundlegend zu ver?ndern. Einerseits k?nnen neue Technologien die Produktivit?t steigern und Menschen von monotonen oder gef?hrlichen T?tigkeiten befreien, andererseits gilt es, den Sinn in der Arbeit für die Menschen zu erhalten. Der Schweizer HR-Barometer 2024 untersucht aus Sicht der Arbeitnehmenden, welchen Sinn und Unsinn sie in ihrer Arbeit wahrnehmen.
Stellenwert der Arbeit
Für die Besch?ftigten in der Schweiz hat die Arbeit grunds?tzlich einen hohen Stellenwert im Leben. Vergleicht man die Wichtigkeit der verschiedenen Lebensbereiche, so zeigt sich, dass vor allem die Bereiche ?Erwerbsarbeit? sowie ?Familie und Freizeit? mit durchschnittlich je fast 30% für die Erwerbst?tigen in der Schweiz am wichtigsten sind. Mit zunehmendem Alter nimmt die Bedeutung der Erwerbsarbeit zu (von 28 auf 36%) und diejenige der Freizeit ab (von 31 auf 22%). Die Familie ist generell der wichtigste Lebensbereich, insbesondere für die Befragten mittleren Alters. Im Vergleich zu 2014 ist die Bedeutung der Familie nahezu gleichgeblieben, w?hrend die Bedeutung der Erwerbsarbeit abgenommen und diejenige der Freizeit in ?hnlichem Masse zugenommen hat (im Durchschnitt um etwa 4–5 %). Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass es tats?chlich eine allgemeine Tendenz gibt, der Erwerbsarbeit weniger und der Freizeit mehr Bedeutung beizumessen. Ein interessantes Detail ist jedoch, dass im Altersvergleich für die 56- bis 65-J?hrigen die Erwerbsarbeit am wichtigsten und die Freizeit am unwichtigsten ist. Statt ?ltere Arbeitnehmende als lernunwillig und unmotiviert abzutun, sollte diese Gruppe auch angesichts des demografischen Wandels viel st?rker beachtet und gef?rdert werden.
Bedeutsamkeit und Entfremdung
Fast die H?lfte der Besch?ftigten (47%) sehen ihre Arbeit als bedeutsam an, für mehr als ein Drittel trifft dies zumindest teilweise zu (36%). Viele haben insbesondere ein gutes Gespür dafür, was ihre Arbeit bedeutsam macht. Erfreulich ist auch zu sehen, dass nahezu drei Viertel (71%) der Befragten in ihrer Arbeit aufgehen und damit das Gefühl haben, sich dort weiterentwickeln zu k?nnen und energiegeladen und vital bei der Arbeit zu sein. Auch empfindet die Mehrheit der Besch?ftigten ihre Arbeit insgesamt als koh?rent, d.h. in sich stimmig und nachvollziehbar.
51% berichten jedoch auch, dass sie sich zumindest teilweise von ihrer Arbeit entfremdet fühlen. Knapp ein Viertel davon (24%) fühlt sich sogar oft oder immer von der eigenen Arbeit entfremdet. Die Arbeit wird dabei von den Besch?ftigten als Bürde empfunden, sie sind desillusioniert und distanziert von ihrer T?tigkeit und ihrem Arbeitsumfeld. Hier besteht Handlungsbedarf seitens der Arbeitgebenden. Im Jahr 2024 hat sich zudem fast ein Viertel der Besch?ftigten mindestens manchmal bei der Arbeit gelangweilt, w?hrend es vor zehn Jahren nur 12% waren.
Mehr Zufriedenheit dank Sinnhaftigkeit
Nimmt die Arbeit einen hohen Stellenwert im Leben der Besch?ftigten ein, führt dies zu einem h?heren Gefühl der Bedeutsamkeit der Arbeit, zu einem h?heren Koh?renzgefühl und zu einem Aufgehen in der Arbeit (Thriving). Hat die Arbeit einen tiefen Stellenwert im Leben der Besch?ftigten und ist der Arbeitsanreiz prim?r finanzieller Natur, führt dies eher zu Entfremdung und Langeweile bei der Arbeit.
Die wahrgenommene Bedeutsamkeit der Arbeit, das Koh?renzgefühl und das Aufgehen in der Arbeit reduzieren Arbeitsplatzunsicherheit und Kündigungsabsichten, erh?hen die Arbeits- und Karrierezufriedenheit und st?rken die Verbundenheit mit dem Arbeitgeber. Wird die Arbeit als koh?rent empfunden und gehen die Besch?ftigten in ihrer Arbeit auf, sinkt auch das Stressempfinden. Das gegenteilige Muster zeigt sich, wenn sich Besch?ftigte bei der Arbeit entfremdet oder gelangweilt fühlen.
Trend hin zur Stagnation
Gem?ss den Trendanalysen k?nnen Arbeitgebende insgesamt weiterhin auf eine positive Grundstimmung bei den Besch?ftigten bauen. Viele Arbeitseinstellungen sind seit Beginn der Messungen im Jahr 2006 bis auf kleinere Abweichungen relativ stabil. Die Arbeitsgestaltung wird insgesamt positiv bewertet. Die Arbeitszufriedenheit und das Commitment fallen weiterhin hoch aus. Nur die Kündigungsabsicht ist leicht gesunken. Die gegenseitigen Erwartungen und Angebote von Arbeitnehmenden und Arbeitgebenden (sog. psychologischer Vertrag) stagnieren tendenziell. Die Angebote der Arbeitgebenden werden von den Besch?ftigten als nahezu unver?ndert im Vergleich zu 2022 wahrgenommen. Die Erwartungen der Arbeitnehmenden bleiben mehrheitlich auf stabilem Niveau oder sind sogar leicht rückg?ngig.
Trotz des derzeit besch?ftigungsfreundlichen Arbeitsmarktes ist fast die H?lfte der Besch?ftigten (45%) an einer traditionellen sicherheitsorientierten Karriere im Unternehmen interessiert. In den letzten Jahren waren dies immer weniger als 40%. Dieses gestiegene Sicherheitsbedürfnis k?nnte mit den vielf?ltigen sozialen und politischen Unsicherheiten zusammenh?ngen. Dies erfordert eine sorgf?ltige Balance zwischen Stabilit?t und notwendigen Ver?nderungen in den Unternehmen, um zu vermeiden, dass die hohe Sicherheitsorientierung der Besch?ftigten zu einem ungesunden Beharren auf dem Bestehenden führt.
Gute Arbeitsgestaltung mit vielf?ltigen, ganzheitlichen und sinnvollen Aufgaben sowie Autonomie und Mitwirkungsm?glichkeiten und eine positive Führungsbeziehung sind Kernbestanteile unternehmerischer Massnahmen, welche die Arbeitsmarktf?higkeit der Besch?ftigten st?rken und die Motivation und Zufriedenheit f?rdern.
Der Schweizer HR-Barometer
Der Schweizer HR-Barometer erfasst, wie Angestellte in der Schweiz ihre Arbeitssituation erleben. Erhoben werden unter anderem folgende Themen: gegenseitige Erwartungen und Angebote von Arbeitnehmenden und Arbeitgebenden als Bestandteil der Arbeitsbeziehung (psychologischer Vertrag), Praktiken des Human Resource Management wie Arbeitsgestaltung und Personalentwicklung, Führung, Arbeitszufriedenheit, Arbeitsmarktf?higkeit und Karriereorientierung. Die Studie wird von Gudela Grote, Professorin für Arbeits- und Organisationspsychologie der ETH Zürich, und von Bruno Staffelbach, Leiter des Centers für Human Resource Management an der Universit?t Luzern, in Kooperation mit der Universit?t Zürich regelm?ssig herausgegeben.
Die Grundlage des HR-Barometers 2024 bildet eine Befragung von 2032 Angestellten, basierend auf dem Stichprobenregister des Bundesamtes für Statistik. Die aktuelle Ausgabe widmet sich dem Schwerpunktthema ?Sinn und Unsinn in der Arbeit?. Die Befragung fand zwischen M?rz und Juni 2024 in der deutsch-, franz?sisch- und italienischsprachigen Schweiz statt.
Der HR-Barometer 2024 entstand mit Unterstützung des Schweizerischen Nationalfonds (F?rderinstrument ?Forschungsinfrastrukturen?, Projektnummer 198051).
Kontakte
Universit?t Luzern
Erreichbarkeit: 25.9.2024, 13–14 Uhr
ETH Zürich
Erreichbarkeit: 25.9.2024, 16–17 Uhr