Hochschulfinanzierung: Es braucht eine nationale Debatte
Für Martin Vetterli und Jo?l Mesot, die Pr?sidenten der EPFL und der ETH Zürich, w?ren hohe Studiengebühren wie im angels?chsischen Raum der falsche Weg, um die finanzielle Situation der beiden Hochschulen zu verbessern. Studierende sollten als Erfolgsfaktoren für unser Land gesehen werden, und nicht als ?Cash Cows?.
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In den letzten zwanzig Jahren hat die ETH Zürich ihre Studierendenzahlen mehr als verdoppelt. An der EPFL stieg diese Zahl im gleichen Zeitraum sogar auf das Dreifache an. Allein an der ETH Zürich haben in diesen Tagen 3700 junge Menschen ihr Bachelorstudium begonnen, ein Rekord und rund dreizehn Prozent mehr im Vergleich zum letzten Jahr. 80 Prozent davon kommen mit einer Schweizer Matura.
Das sind ausgezeichnete Nachrichten, denn Fachkr?fte, die an den technischen Hochschulen des Bundes ausgebildet werden, werden dringend ben?tigt. Der Arbeitsmarkt empf?ngt diese Talente mit offenen Armen.
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Basis dieses Erfolgs ist die grosszügige Unterstützung und Finanzierung des ETH-Bereichs durch den Bund. Dafür m?chten wir der Politik unseren grossen Dank aussprechen. Allerdings hinken die zugesprochenen Mittel dem Wachstum seit rund zwei Jahrzehnten hinterher. Aufgrund der angespannten Lage bei den Bundesfinanzen haben Parlament, Bundesrat und die von ihm eingesetzte Expertengruppe Gaillard noch einmal den Rotstift angesetzt. Den beiden Hochschulen und den Forschungsanstalten Empa, PSI, Eawag und WSL stehen damit gegenüber dem für die n?chsten vier Jahre ausgewiesenen Finanzbedarf rund eine Milliarde Franken weniger zur Verfügung.
Vor diesem Hintergrund macht es Sinn, dass auch die Studierenden ihren Beitrag leisten. Gerade für die sogenannten Bildungsausl?nderinnen und -ausl?nder ist das Preis-Leistungsverh?ltnis für ein Studium an der ETH oder der EPFL hervorragend. Die Erh?hung ihres Studiengelds, von ETH-Rat und Parlament jetzt beschlossen, ist deshalb vertretbar.
Doch wir betreten damit einen heiklen Pfad: Wird mindestens das Dreifache der bisherigen Gebühren verlangt, warum in ein paar Jahren nicht das Fünf- oder Zehnfache? Vergessen wir nicht: Ausl?ndische Studierende bringen der Schweiz enorm viel. Gem?ss einer Studie von Avenir Suisse aus dem Jahr 2023 haben mit 50 Prozent überproportional viele Start-up-Gründer, also Unternehmerinnen und Unternehmer mit einer besonders innovativen Gesch?ftsidee, einen ausl?ndischen Pass.
?Studierende als “Cash Cows” zu betrachten statt als Erfolgsfaktoren für unser Land, w?re unklug.?Martin Vetterli, Jo?l Mesot
Kommt hinzu, dass die ausl?ndischen Studierenden hierzulande sehr hohe Lebenshaltungskosten haben. Jene aus Deutschland etwa haben j?hrlich zwei- bis dreimal h?here Ausgaben als zuhause. Auch die einheimischen Studierenden geraten in den aktuellen Sog. Die Gruppe Gaillard schl?gt vor, ihre Studiengebühren zu verdoppeln.
Unerwünschte Nebenwirkungen
Studierende als ?Cash Cows? zu betrachten statt als Erfolgsfaktoren für unser Land, w?re unklug. Bereits heute scheint vielen Talenten in der Schweiz der gleichberechtigte Zugang zu den Hochschulen verbaut zu sein. Gem?ss einer Langzeitstudie der Universit?t Bern haben Kinder aus Familien ohne akademischen Hintergrund eine nur halb so hohe Chance auf einen Uni-Abschluss wie Kinder von Eltern mit Hochschulabschluss. Wir, die Autoren dieses Beitrags, geh?ren übrigens zur erstgenannten Gruppe. Wir sind dankbar, dass wir in jungen Jahren von den tiefen finanziellen Hürden in der Schweiz für eine hervorragende universit?re Ausbildung profitieren konnten.
Hochschulen im angels?chsischen Raum werden weltweit als Goldstandard gehandelt. Das heisst aber nicht, dass man ihnen in allem nacheifern muss. Stanford und das MIT verlangen pro Jahr umgerechnet rund 50’000 Franken an Studiengebühren, Cambridge je nach Fach bis zu 80’000 Franken. Studentinnen und Studenten verschulden sich oft in einem Ausmass, das ein Leben lang nachwirkt.
Handkehrum sind diese Hochschulen auf die Studiengebühren angewiesen, mit negativen Folgen für die Planungssicherheit. An kanadischen Universit?ten führt derzeit unter anderem eine Beschr?nkung der j?hrlichen Zulassungen von ausl?ndischen Studierenden zu ernsthaften Finanzproblemen.
Nur keine Bildung ist noch teurer
So weit darf es in der Schweiz nicht kommen. Hochqualifizierte junge Menschen, egal woher sie stammen, waren und sind ein zentraler Pfeiler für die Innovationskraft und letztlich den Wohlstand der Schweiz. Ein anderer ist die stabile und ad?quate Ausstattung der Hochschulbildung durch die ?ffentliche Hand. Ein Hochschulsystem, in dem diese Voraussetzungen nicht mehr gelten sollen, widerspricht unserer Meinung nach den Werten der Schweiz. Günstig ist das nicht – aber seinen Preis wert. Der grosse Abraham Lincoln brachte es auf den Punkt: ?Wenn Sie finden, Bildung sei teuer, versuchen Sie es einmal mit Unwissenheit.?
Wir als Gesellschaft sollten deshalb grunds?tzlich diskutieren, welche Aufgaben die Hochschulen und die Forschungsinstitute des Bundes erfüllen müssen, um der Schweiz bestm?glich zu dienen. Auf dieser Basis sollten die Rahmenbedingungen, auch die finanziellen, bestimmt werden, welche die Hochschulen für ihren Auftrag ben?tigen. Lassen Sie uns diesen Dialog jetzt führen!
Dieser Beitrag erschien in leicht gekürzter Form zuerst als Meinungsbeitrag in externe Seite Tagesanzeiger und externe Seite Le Temps.