Drohnen und der Faktor Mensch

Die Drohne, die letzte Woche im Garten des Weissen Hauses abstürzte, hat die weltweite Debatte über die Reglementierung des kommerziellen Einsatzes von Drohnen weiter angeheizt. Eine Konferenz an der ETH Zürich besch?ftigte sich mit der Tatsache, dass die Drohnentechnologie für umstrittene Zwecke eingesetzt werden kann.

Vergr?sserte Ansicht: ETH Zürich/Raffaello D'Andrea
Spiel oder erster Schritt in die falsche Richtung? ETH-Wissenschaftler haben Quadrokopter entwickelt, die Tennis spielen oder durch Gesten gesteuert werden k?nnen. (Foto: ETH Zürich/Raffaello D’Andrea)

Letzten Freitag fand an der ETH Zürich die eint?gige Konferenz ?Drones: From Technology to Policy, Security to Ethics? statt. Zu den Teilnehmenden z?hlten Fachleute aus der Schweiz, Frankreich, Norwegen, Australien und den USA, die hinsichtlich des weit verbreiteten Einsatzes von Drohnen gegens?tzliche Positionen vertraten. Organisiert wurde die Konferenz vom International Relations and Security Network und von ETH Global, der ETH-Stelle für internationale Beziehungen.

Die Veranstaltung diente als Forum für leidenschaftlich geführte Diskussionen: Ingenieure, Geistes-, Umwelt- und Politikwissenschaftler sowie führende Wirtschaftsvertreter und sogar ein früherer US-Army-Ranger legten ihre Standpunkte zum Einsatz der Drohnentechnologie dar. Allgegenw?rtig in ihren Vortr?gen war dabei das Thema Angst. ?Wir haben keine Angst vor Drohnen, aber davor, dass diese für unheilvolle Absichten missbraucht werden?, sagte etwa Jean-Baptiste Jeangène Vilmer vom Pariser Institut für Politikwissenschaften, der mit seiner Frage ?Sind wirklich die Drohnen das Problem?? die Debatte relativierte.

Tats?chlich liegt das eigentliche Problem nicht in den Fortschritten der Drohnentechnologie, sondern vielmehr im menschlichen Verhalten. Die grundlegende Frage ist, ob Menschen die Drohnentechnologie zum Nutzen oder zum Schaden der Menschheit einsetzen. Vilmer konzentrierte sich in seinem Vortrag auf die rechtlichen und ethischen Aspekte des Drohneneinsatzes in bewaffneten Konflikten.

Vom Mars inspiriert

Paradoxerweise waren es nicht Feindseligkeiten unter Menschen, sondern die lebensfeindliche Umwelt auf dem Mars, die als Inspirationsquelle für eines der auf der Konferenz vorgestellten Projekte diente. Mit der niedrigen Dichte seiner Atmosph?re inspirierte der rote Planet Roland Siegwart vom Institut für Robotik und Intelligente Systeme der ETH Zürich zum Langstreckensolarflugzeug ?AtlantikSolar?. Siegwart und sein Forscherteam entwickeln Solarflugzeuge mit starren Flügeln und Luftschiffe für Langstreckenflüge. Die Atmosph?re auf dem Mars erfordert ein diffiziles Gleichgewicht zwischen Strukturmasse (Solarzellen, Akkus und Flugwerk) und Leistung (Aerodynamik oder Auftrieb). Für Siegwarts Team waren diese komplexen Bedingungen die Richtschnur für die Entwicklung von AtlantikSolar. Solche fliegenden Roboter werden gebaut, um Daten für die Beurteilung wissenschaftlicher Erkenntnisse zu sammeln. Auf der Erde werden sie dazu genutzt, um bei Naturkatastrophen und Waldbr?nden eine Lagebeurteilung vornehmen zu k?nnen.

Siegwarts Team arbeitet eng mit dem Institut für Dynamische Systeme und Regelungstechnik der ETH Zürich zusammen, um Sch?tzverfahren zu entwickeln und zu verfeinern, die zuverl?ssigere, redundantere und robustere Systeme hervorbringen. Dadurch k?nnen l?ngere Flugzeiten erreicht, Zusammenst?sse vermieden und neue Algorithmen entwickelt werden, die die gleichzeitige Lokalisierung und Kartierung erm?glichen.

Drohnen als Kinderspielzeug?

W?hrend die AtlantikSolar und weitere Drohnenprojekte der ETH Zürich zum Nutzen der Menschheit entwickelt wurden, stellt sich die Frage, was passiert, wenn solche Technologien der breiten Bev?lkerung zur Verfügung stehen oder in die falschen H?nde gelangen. In einem aktuellen Bericht des Wirtschaftsmagazins Fortune heisst es: ?Der weltweite Markt für nichtmilit?risch genutzte Drohnen hat sich zu einer 2,5-Milliarden-Dollar schweren Branche entwickelt, die j?hrlich um 15 bis 20 Prozent w?chst.?

Wenn es um Drohnen geht, befinden wir uns sprichw?rtlich im ?Wilden Westen?, einem rechtsfreien Raum, in dem die Technologie der Regulierung immer einen Schritt voraus ist. Die Drohne, die in den Garten des Weissen Hauses stürzte, war in einem stark reglementierten Flugbeschr?nkungsgebiet im Einsatz. Allerdings reichen die üblichen Flugsicherheitsbestimmungen, die Personen, Objekte und andere Flugobjekte vor Zusammenst?ssen schützen sollen, für Drohnen wahrscheinlich nicht aus. Vorl?ufige Flugraumbeschr?nkungen unterliegen t?glichen Ver?nderungen. Vor diesem Hintergrund kann niemand erwarten, dass Kinder oder Hobbyflieger, die eine ?Spielzeugdrohne? in ihrem Garten starten, diesbezüglich immer auf dem neuesten Stand sind. Auch ist fraglich, ob entsprechende Vorschriften den Schutz der Privatsph?re gew?hrleisten.

Wahrnehmung h?ngt vom Zweck ab

Laut Paul Scharre vom Center for a New American Security ist die Regulierung von Drohnen Ansichtssache. Scharre verglich die unterschiedlichen Bestimmungen einzelner L?nder in Bezug auf bemannte und unbemannte ?berwachungsflugzeuge. W?hrend beide in ?hnlicher Mission unterwegs sind, würden die meisten Regierungsvertreter eher eine unbemannte Drohne als ein bemanntes ?berwachungsflugzeug abschiessen lassen, wobei Letzteres als kriegerische Handlung wahrgenommen würde. Den Wert, den wir dem menschlichen Leben und dem Eigentum historisch und kulturell bedingt zumessen, beeinflusst unsere Wahrnehmung von Drohnen und schlussendlich unsere Rechtsvorschriften bezüglich ihrer Nutzung.

Kristin Bergtora Sandvik vom Friedensforschungsinstitut Oslo sprach über den Einsatz von Drohnen als ?berwachungsinstrumente in humanit?ren Konflikten. Drohnen, die mit hochaufl?senden Kameras für die Gesichtserkennung im ?ffentlichen Raum und Mikrofonen zum Mith?ren privater Gespr?che ausgestattet sind, werden als Verletzung der Grundrechte wahrgenommen.

Lian Pin Koh, der früher an der ETH Zürich forschte und nun an der Universit?t Adelaide t?tig ist, sieht dies anders. Er nutzt Drohnen, um Wildtiere zu beobachten, sie in schwer zug?nglichen Lebensr?umen zu fotografieren und ihre Ger?usche aufzunehmen. W?rmebild- und hochaufl?sende Kameras nützen auch Naturschützern, die im Kampf gegen Wilderer riesige Fl?chen kontrollieren. Umwelt- und Naturschützer sehen die Drohnentechnologie denn auch als Arbeitshilfe von unsch?tzbarem Wert.

Auch wenn noch zahlreiche Fragen offen sind, steht eines fest: Drohnen, unbemannte Flugobjekte und Flugroboter sind dabei, rasch zu einem festen Bestandteil unseres Alltags zu werden. Wie wir diese neue Technologie nutzen und reglementieren, wird von unserer Kultur, unseren Werten und unserer Wahrnehmung beeinflusst.

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