Der Gebirgswald braucht den Menschen nicht – wir aber ihn

Die W?lder in den Gebirgen unseres Planeten sind fragile ?kosysteme, die unter dem Klimawandel leiden. Um ihn langfristig zu überstehen, brauchen sie den Menschen aber nicht. Die Menschen in Gebirgsregionen sind jedoch existenziell auf gesunde Gebirgsw?lder und deren Schutzfunktionen angewiesen.

Vergr?sserte Ansicht: Hölzerne Dreibeinböcke schützen Jungbäume
H?lzerne Dreibeinb?cke schützen Jungb?ume im Tarminatal vor Schnee. (Bild: ETH Sustainability)

Sollen wir beispielsweise genetisch modifizierte Baumarten anpflanzen, die besonders trockenheitstolerant sind, damit es dem Gebirgswald auch in Zukunft gut geht? Diese Frage ist kein Witz. Sondern eine von mehreren heiss diskutierten Ideen zur künftigen Bewirtschaftung unserer Bergw?lder, um die sich die jüngste Sommerschule von ETH Sustainability drehte (siehe Kasten). 32 Studierende aus 17 L?ndern und 14 Disziplinen schauten hinter die Kulissen solcher Vorschl?ge, die auf den ersten Blick absurd erscheinen m?gen.

Was Gebirgsw?lder leisten

Gebirgsw?lder sind mehr als eine Ansammlung von B?umen am Hang. Die Menschen beziehen zahlreiche ?kosystemleistungen von ihnen: Global gesehen regulieren Gebirgsw?lder das Klima, indem sie CO2 und Wasser speichern. Lokal schützen sie vor Naturgefahren wie Lawinen, Erdrutschen oder Steinschlag. Gebirgsw?lder sind zudem wichtig für die Biodiversit?t, sie liefern Bau- und Brennholz und stellen Lebensmittel bereit wie etwa Wild, Pilze oder Kr?uter. Auch tragen sie zur ?sthetik der Landschaft bei, was für den Tourismus wichtig ist. Nicht zuletzt pr?gen Berggebiete auch die Tieflagen: Erosion und Hochwasser nehmen im Gebirge ihren Lauf, wirken sich aber vor allem in tieferliegenden Gebieten mitunter verheerend aus.

Stark exponierte Bergregionen

Der vom Menschen verursachte Temperaturanstieg ist in Berggebieten rund doppelt so gross wie in Tieflagen. Dies hat physikalische Gründe und dürfte deshalb in Zukunft so weitergehen. Gebirgsregionen sind also besonders stark vom Klimawandel betroffen. Doch was bedeutet das?

Die einfachste Vorstellung ist, dass eine Temperatur-Erh?hung um 4 bis 5 Grad Celsius bis ins Jahr 2100 die H?henstufen um 800 bis 1000 Meter verschiebt. Baumarten wie Buchen, Kirschen oder Linden, die heute auf 500 m über Meer (beispielsweise in Zürich) gut wachsen, werden in Zukunft in Davos auf rund 1500 Meter gut gedeihen. Und jene, die in heute in Davos gut wachsen wie die Fichte, werden die entsprechenden Bedingungen auf 2500 Meter vorfinden, also weit oberhalb der heutigen Waldgrenze.

Wie den Gebirgswald bewirtschaften?

Der Wald wird sich langfristig sicher an dieses drastisch andere Klima anpassen, aber nach dem heutigen Stand der Kenntnisse wird er dafür viele Jahrzehnte ben?tigen. Kurzfristig wird der Gebirgswald aber leiden, weil die vorhandenen Baumarten aufgrund von Extremereignissen wie Trockenheit, Insekten-Befall oder Windwurf verschwinden, neue Baumarten aber nicht genügend rasch einwandern. Nach ein- oder zweihundert Jahren wird es sicher wieder neuen Wald geben. So gesehen braucht uns der Gebirgswald also nicht!

Wenn wir aber kontinuierlichen Schutz vor Steinschlag oberhalb einer Ortschaft wie Davos erwarten, dann brauchen wir anhaltend gesunde Gebirgsw?lder – doch wie müssen wir sie bewirtschaften? Das war eines der zentralen Arbeitsthemen an der Sommerschule.

Den Bergwald ?be-greifen?

Den Wald begreifen
(Bild: Stephan Birrer/ Bergwaldprojekt)

Auf dem St. Margrethenberg (SG) und im Taminatal hat ETH Sustainability Anfang Juli gemeinsam mit der Stiftung externe SeiteBergwaldprojekt und der Professur Wald?kologie eine neunt?gige Sommerschule zum Thema ?Risikomanagement in Gebirgs?w?ldern? durchgeführt.

32 Studierende aus 17 Nationen besch?ftigten sich mit aktuellen Fragen rund um die Bewirtschaftung von Gebirgs?w?ldern und engagierten sich handfest w?hrend dreier Tage in einem Praxiseinsatz des Bergwaldprojekts: In einem steilen Hang, dessen Wald 1990 vom Sturm ?Vivian? zerst?rt worden war, bauten die Studierenden in harter Handarbeit Wege und Schutzvorrichtungen für junge B?ume.

Weitere Informationen zur Sommerschule finden Sie unter Mountain Forests & Risk Management und im externe SeiteRadio-Beitrag von SRF Regionaljournal Ostschweiz.

Grunds?tzlich l?sst sich festhalten, dass in vielen Gebirgsw?ldern schon heute Baumarten mit wenigen, meist kleinen Exemplaren vorhanden sind, die eigentlich zu tieferen Lagen geh?ren. Diese Arten sollte man gezielt f?rdern, damit in einigen Jahrzehnten genügend Samenb?ume vorhanden sind. Denkbar ist auch, Baumarten tieferer Lagen weiter oben anzupflanzen. Oder soll man Baumarten aus anderen Kontinenten einbringen? Oder gar mit genetisch modifizierten Baumarten (GMOs, genetically modified organisms) arbeiten?

Rolle von Lehre und Forschung

Viele Fragen sind noch ungel?st. Deshalb braucht es gut ausgebildete Wald-Fachkr?fte, welche innovative L?sungen erarbeiten. Auch die Waldforschung ist gefragt, sei es bezüglich der Eignung fremdl?ndischer Baumarten (aus südlicheren, typischerweise trockeneren Gebieten), sei es bezüglich genetisch modifizierter B?ume, die beispielsweise besonders trockenresistent sind. GMOs werden im Ausland in der kommerziellen Forstwirtschaft bereits intensiv untersucht und teils auch schon verwendet; in der Schweiz sind sie (derzeit) noch mit einem selbst auferlegten Denkverbot belegt.

Nicht so in unserer Sommerschule: Solch interdisziplin?re Veranstaltungen mit jungen, hellen K?pfen k?nnen zwar die anstehenden Probleme auch nicht auf die Schnelle l?sen – sie zwingen aber alle Teilnehmenden mitsamt den Organisatoren, scheinbar bew?hrte Denkmuster zu durchbrechen und Paradigmen zu hinterfragen.

Nicht, dass ich hemmungslos für GMOs oder fremdl?ndische Baumarten in der Schweiz w?re. Aber darüber nachdenken muss man dürfen. Ungewohnte Herausforderungen wie der Klimawandel verlangen manchmal nach ungewohnten L?sungen!

Zum Autor

Harald Bugmann

Harald Bugmann

Professor für Wald?kologie, ETH Zürich

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