Werkzeugkiste für den Wirkstoffbau

ETH-Mikrobiologen um Markus Künzler haben ein bemerkenswertes Enzym in einem Pilz entdeckt. Sie m?chten es nun nutzen, um damit neue Wirkstoffe zu entwickeln.

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Ein Pilz voller ?berraschungen: Der Dunkle ?lbaumtrichterling leuchtet in der Nacht und produziert für den Menschen interessante Peptide. (Bild: Noah Siegel, wikicommons, CC BY-SA 3.0)

Pilze scheinen ein schier unersch?pfliches Reservoir für neue Wirkstoffe zu sein. Ein solcher Fundus  ist auch der Dunkle ?lbaumtrichterling (Omphalotus olearius), ein im Mittelmeergebiet h?ufig vorkommender Pilz, dessen Fruchtk?rper in der Nacht fluoresziert.

Doch nicht dieser Special Effect macht ihn für die medizinische Forschung interessant, sondern ein Enzym in diesem Pilz, welches ETH-Forschende um den Mikrobiologen Markus Künzler jüngst entdeckten.

Dieses Enzym, OphA genannt, ist ein zentraler Bestandteil eines Stoffwechselweges zur Sch?dlingsabwehr des Dunklen ?lbaumtrichterlings. ?Pilze wehren sich gegen Fressfeinde oder Konkurrenten mit einem Cocktail aus verschiedenen Giften - viele davon sind Proteine oder Peptide?, sagt Künzler.

Der Dunkle ?lbaumtrichterling verwendet das Enzym OphA, um dem Rückgrat eines solchen Peptids mit zus?tzlichen Methylgruppen zu versehen. Erst das auf diese Weise chemisch ver?nderte und nachtr?glich zu einem Ring geschlossene Peptid namens Omphalotin A wirkt als Gift. Der Pilz wehrt damit Sch?dlinge wie Fadenwürmer ab.

Schwer ver?nderbare Fertigungsstrasse

Peptide aus Pilzen dienen auch der Medizin als Wirkstoffe. Eines der bekanntesten ist Cyclosporin A. Dieses Peptid kommt seit bald 40 Jahren bei Organtransplantationen, Autoimmunkrankheiten und in der Krebsmedizin zum Einsatz.

Dieses Peptid ist ringf?rmig und tr?gt auf seinem Rückgrat dieselbe Art von Methylgruppen wie Omphalotin A. Die Ringform und die Methylgruppen sind dabei entscheidend für die vorteilhaften  pharmakologischen Eigenschaften, insbesondere die orale Verfügbarkeit von Cyclosporin A. Letztere Eigenschaft ist nach wie vor eine grosse Hürde für peptidbasierte Medikamente.

Im Unterschied zu Omphalotin A, dessen Rückgrat, wie das der meisten Proteine und Peptide einer Zelle, durch das Ribosom hergestellt wird, wird Cyclosporin A durch ein riesiges, eigens dafür zust?ndiges Enzym aus den entsprechenden Aminos?uren zusammengebaut. Dieses Enzym funktioniert ?hnlich wie eine Fertigungsstrasse in der Automobilindustrie. ?Allerdings l?sst sich diese Fertigungsstrasse biotechnologisch kaum ver?ndern, um mit ihm Varianten von Cyclosporin A zu produzieren?, sagt Künzler.

OphA ist nicht w?hlerisch

Das Enzym OphA (grüne und blaue Schlangen) bestückt das Vorläuferpeptid von Omphalotin A (Buchstabenfolge) mit Methylgruppen. In dieser Phase sind Enzym und Substrat fest verbunden. (Grafik: Niels van der Velden und Mike Freeman / ETH Zürich)
Das Enzym OphA (grüne und blaue Schlangen) bestückt das Vorl?uferpeptid von Omphalotin A (Buchstabenfolge) mit Methylgruppen. In dieser Phase sind Enzym und Substrat fest verbunden. (Grafik: Niels van der Velden und Mike Freeman / ETH Zürich)

Mithilfe des Enzyms OphA k?nnte es jedoch m?glich werden, nicht bloss Varianten von Omphalotin A, sondern weitere neuartige ringf?rmige Peptide herzustellen, die dank der eingeführten Methylgruppen ?hnlich günstige pharmakologische Eigenschaften wie Cyclosporin A besitzen.

Grundlage dafür ist die Tatsache, dass die von OphA bearbeiteten Peptide von Ribosomen hergestellt werden und über eine Ver?nderung der entsprechenden Gene leicht zu ver?ndern sind. Zudem scheint OphA in der Auswahl von Peptiden, die es chemisch ver?ndern kann, nicht w?hlerisch zu sein. Das Enzym ist offensichtlich dazu in der Lage, Methylgruppen an eine grosse Bandbreite von verschiedenen Peptiden anzuh?ngen.

?Indem wir biotechnologisch unterschiedliche Ausgangspeptide herstellen und diese von OphA ver?ndern lassen, k?nnen wir theoretisch v?llig neue Peptide mit pharmakologisch interessanten Eigenschaften produzieren?, erkl?rt Künzler.

So liessen sich mithilfe von OphA Bibliotheken von ringf?rmigen Peptiden mit Methylgruppen erzeugen, die als m?gliche Wirkstoffe in Frage kommen. Solche Peptidbibliotheken k?nnten dann in einem weiteren Schritt nach Peptiden durchsucht werden, welche eine gewünschte biologische Eigenschaft, beispielsweise die Bindung an ein Zielprotein in der Krebstherapie, aufweisen.

Technologie zum Patent angemeldet

Die so identifizierten Peptide stellen vielversprechende Leitpeptide für die Entwicklung entsprechender Peptidtherapeutika dar, weil sie wegen der vorhandenen Methylgruppen mit hoher Wahrscheinlichkeit bereits günstige pharmakologische Eigenschaften aufweisen. ?Dieser Ansatz bietet gegenüber Ans?tzen, wo Methylgruppen chemisch erst im Nachhinein in die Peptide eingeführt werden, klare Vorteile sowohl bezüglich Kosteneffizienz als auch Erfolgswahrscheinlichkeit?, sagt der Mikrobiologe.

Die Verwendung des Enzyms zum Einführen von Methylgruppen in Peptiden und das Verfahren zur Erzeugung entsprechender Peptidbibliotheken hat die ETH Zürich zum Patent angemeldet. Um den Nachweis zu erbringen, dass die Technologie funktioniert, hat Künzler einen KTI-Grant, vorerst noch ohne Industriepartner, eingeworben. Auch die Gründung eines Spin-offs steht zur Diskussion. ?Zuerst müssen wir aber den 'Proof-of-principle' erbringen, bevor wir für einen eventuellen Spin-off Finanzmittel einwerben k?nnen.? Die n?chsten zwei Jahre seien dafür wohl entscheidend.

Begeisterte Fachwelt

Zumindest von der Fachwelt hat Künzler regen Zuspruch für seine Entwicklungen erhalten. An einer Konferenz über Peptide, die er kürzlich in Kanada besucht hat, sei das Interesse an seinem System gross gewesen. Einen Interessenten für den Erwerb einer Lizenz gebe es auch schon. ?Es macht Spass, Grundlagenforschung in Richtung Anwendung zu begleiten?, sagt er.

Das Naturstoffpotenzial von Pilzen sch?tzt Künzler grunds?tzlich als sehr hoch ein. Weltweit gibt es mehrere Millionen verschiedene Pilzarten und die Zahl von vielversprechenden Naturstoffen ist dementsprechend gross. Er ist aber auch Realist und weiss, dass nur ein Bruchteil davon für Medikamente in Frage kommt – vielleicht werden es einige aus seiner Peptidsammlung schaffen.

Literaturhinweis

van der Velden NS, K?lin N, Helf MJ, Piel J, Freeman MF, Künzler M. Autocatalytic backbone N-methylation in a family of ribosomal peptide natural products. Nature Chemical Biology (2017). doi: externe Seite 10.1038/nchembio.2393

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