Warum Cyberangriffe nicht als Waffe taugen

Cyberattacken müssen auch als politisches Gewaltph?nomen verstanden und entsprechend bek?mpft werden, meint Myriam Dunn Cavelty.

Myriam Dunn Cavelty

Die Digitalisierung wird viele Aspekte unseres Lebens grundlegend ver?ndern – viele davon zum Guten. Doch aufgrund der zunehmenden Abh?ngigkeit von Computern und Netzwerken für den Datenaustausch und die Datenspeicherung, entstehen neue Verwundbarkeiten für Individuum und Gesellschaft. Das relevante Schlagwort ist: Cybersicherheit. Darunter versteht man mehr als nur technische L?sungen: Es geht es um die Sicherheit im Cyberspace, aber auch um die Sicherheit, die durch den Cyberspace beeinflusst wird.

Cyberattacken h?ufen sich bei politischen Konflikten

Erst seit kurzem sind wir in der politikwissenschaftlichen Forschung in der Lage, Cyberattacken als politisches Gewaltph?nomen systematisch zu erforschen – schlicht weil sich die Vorf?lle h?ufen. Wir sehen: Cyberoperationen sind eine ?normale“ Begleiterscheinung von politischen Konflikten aller Art. Dabei bedienen sich nichtstaatliche und staatliche Akteure Cybermitteln, um in unterschiedlicher Form in Konflikte einzugreifen.

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Cyberoperationen sind eine ?normale“ Begleiterscheinung von politischen Konflikten aller Art. (Bild: iStock)

Angreifer k?nnen nicht bestraft werden

Für staatliche und nichtstaatliche Akteure ist es attraktiv, die technischen und politischen Effekte von Cyberoperationen in verschiedenen Kontexten auszutesten – denn die Kosten sind relativ gering und meist indirekt: Da gibt es einerseits ausnutzbare technische Unsicherheiten und ungenügende Schutzmassnahmen bei den Zielen. Hinzu kommt die Schwierigkeit des Opfers, eine klare ?Attribution“ (Zuordnung zum T?ter) vorzunehmen und den Angreifer entsprechend zu bestrafen. Darum sehen wir mehr und vor allem spektakul?rere Cybervorf?lle. Doch oft wird Zurückhaltung gewahrt: als rationale Akteure sind Staaten nicht an unkontrollierbaren Eskalationen interessiert.

Sind Cyberattacken ein Kriegsgrund?

Gleichzeitig haben sich auch die Anstrengungen intensiviert, Verhaltensregeln zu entwickeln, um die noch verbleibende Eskalationsgefahr zu d?mmen. So besteht mittlerweile ein v?lkerrechtlicher Konsens darüber, dass nur solche Cyberattacken als Kriegsgrund angesehen werden sollten, die eine hohe, kriegs?hnliche Zerst?rung hervorrufen. Ebenso beobachten wir, dass die USA die Cyberaktivit?ten von Staaten wie Russland (Manipulation von Wahlen) und China (Wirtschaftsspionage) über die klassischen Instrumente der internationalen Politik, also diplomatische Verhandlungen, bilaterale Abkommen und Sanktionen, zu regulieren sucht.

Cyberangriffe sind als Waffe ungeeignet

Fast am Wichtigsten ist jedoch die Erkenntnis, dass Cyberangriffe sich als Instrumente der Zerst?rung – also als Waffen – nur sehr beschr?nkt eignen. Noch vor kurzem war eine Hauptangst des strategischen ?Cyberwars?, ein virtueller Schlag aus dem Nichts (z.B. auf die Stromversorgung), der einen Staat in die Knie zwingen würde.

?Je mehr Vernetzung, desto mehr potenzielle Ziele.?Myriam Dunn Cavelty

Die Realit?t sieht anders aus: Aufgrund der Schwierigkeiten, kontrollierbare Effekte zu erzielen und eigentliche Gewalt durch Cyberattacken auszuüben, eigenen sich Cybermittel vor allem für alle Arten von ?Protestaktionen?. Sie sollen Verwirrung stiften und die Meinung der Bev?lkerung beeinflussen. Sie eignen sich für Spionage, mit etwas mehr Aufwand für lokale Sabotage und – weitaus seltener – bei milit?rischen Operationen als vorbereitende oder st?rende Massnahmen im Zuge von ?traditionellen? Milit?roperationen.

Was bedeutet das für die digitalisierte Zukunft?

?ngste vor dem digitalen Supergau sind unbegründet. Aber eine breite Palette von Akteuren nutzt digitale Netzwerke schon heute, um strategische Ziele gegen den Willen anderer Akteure durchzusetzen. Das heisst, dass digitalisierte Bereiche mutwilligen St?rungen trotzen müssen - denn je mehr Vernetzung, desto mehr potenzielle Ziele.

In Zukunft ist ein noch besseres Verst?ndnis für die Motivation von politischen Akteuren n?tig. Wir müssen analysieren, wie und auf welcher Grundlage sie ihre Entscheidungsfindung treffen und welche Rolle die Digitalisierung hier spielt. So k?nnen wir über technische L?sungen hinweg versuchen, politische Anreize über internationale Normen so zu beeinflussen, dass das Vertrauen in die technischen M?glichkeiten der Zukunft trotz der strategischen Ausnutzung des Cyberspace m?glich ist.

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