Bloss keine Angst!

Eine ausgewogene und realistische Diskussion, was Digitalisierung in den n?chsten Jahren zu leisten vermag und was nicht, hilft ?ngste abzubauen, meint Roland Siegwart.

Roland Siegwart

Wo steht die Digitalisierung in zehn Jahren? Eine ?usserst schwierige Frage. Wenn es um die Zukunft der Digitalisierung geht, vermischen sich realistische Ideen und utopische Vorstellungen mit ?ngsten und Hoffnungen. Ich finde, es ist h?chste Zeit, etwas Struktur in die Diskussion zu bringen, und wage einen Versuch.

Digital all überall

Die Digitalisierung durchdringt schon weite Teile unseres Lebens. Gemeint ist damit, dass Daten effizienter und sicherer analysiert, miteinander vernetzt und überall auf mobilen Ger?ten genutzt werden k?nnen. Niemand mag mehr auf die Vorteile von Google Maps oder des elektronischen SBB-Fahrplans verzichten.

Roboter und Geschäftsmann
Roboter sind immer noch nicht intelligent geworden (Bild: iStock Photo)

Diese Art der Digitalisierung wird voranschreiten und das Leben von Menschen weiter erleichtern – einfach, weil die Menschen das wollen und die Technologie hier immer neue L?sungen liefern kann. Wenn wir in zehn Jahren keine langweiligen Formulare mehr ausfüllen müssen und sicher per E-Voting abstimmen k?nnen, dann bin ich der Letzte, der etwas dagegen hat.

Was kann die künstliche Intelligenz?

Des Weiteren gibt es die hitzige Debatte um die künstliche Intelligenz (KI) und selbstlernende Systeme. In der Tat, KI zeigt immer eindrücklichere F?higkeiten: Vor einem Jahr haben beispielsweise Google’s DeepMind Algorithmen den weltbesten Spieler im sehr komplexen Brettspiel Go besiegt. Deep Learning kann einen optimalen Output (wie z.B. die Identifikation von Krebsgewebe) auf der Basis eines entsprechenden Inputs (viele Bilder von Krebsgewebe) generieren. Darin sind Computer besser als wir Menschen, weil sie viel schneller auf grosse Datenmengen zugreifen und sie verarbeiten k?nnen.  

Meiner Meinung nach gehen aber einige KI-Experten, und vor allem Nicht-Experten, zu weit, wenn sie die Errungenschaften der KI überm?ssig preisen und falsche Erwartungen wecken. Heutige KI-Systeme sind sehr eingeschr?nkt in ihren F?higkeiten und nur auf strukturierbare Probleme anwendbar. Zurzeit kenne ich kein KI-Programm, das in der Lage ist, die Komplexit?t unserer realen Umgebung nur ansatzweise zu verstehen oder v?llig neue Ideen zu entwickeln. Wir werden sehen, was in zehn Jahren m?glich ist und was eben nicht.

Der Traum vom autonomen Fahren

?Werden wir in ein paar Jahren autonome Fahrzeuge auf den Strassen haben?? – eine Frage, die mir oft gestellt wird und die ich mit einem beherzten ?Jein? beantworten kann. Technologisch ist es heute m?glich, dass ein Auto selbst?ndig auf der Autobahn f?hrt oder im Parkhaus einen Parkplatz findet. Aber Autos werden noch lange nicht in der Lage sein, bei Stossverkehr korrekt ums Central im Zentrum von Zürich zu kurven. Warum?

Central
Komplexe Umgebung am Central (Bild: Keystone)

Autobahnen und Parkh?user sind sehr strukturierte Umgebungen, die spezifisch für Autos gebaut wurden. Ein autonomes Fahrzeug muss deshalb nur eine beschr?nkte Anzahl von Objekten und Situationen zuverl?ssig erkennen. Im Gegensatz dazu trifft ein autonomes Fahrzeug am Central in Zürich auf eine schier unbegrenzte Zahl von Herausforderungen: Fussg?nger, Velofahrer, Hunde, Trams, Zeichen anderer Verkehrsteilnehmer und vieles mehr, dass es zuverl?ssig interpretieren müsste. Auch die neusten Versuche und Erfolge k?nnen nicht darüber hinwegt?uschen, dass der Weg zu selbstfahrenden Autos, die überall herumfahren k?nnen, noch lang ist.

Roboter verstehen ihre Umwelt noch nicht  

Kurz zusammengefasst: Trotz der sehr umfangreichen Forschungsanstrengungen in der KI und der Robotik, sind Roboter in den letzten Jahrzehnten noch immer nicht ?intelligent? geworden. Im Gegensatz zur Daten-Analyse und strategischen Spielen ben?tigen autonome Roboter ein menschen?hnliches Verst?ndnis ihrer Umgebung. Robotik ist mehr als nur gute KI-Algorithmen: es geht um multi-modale Wahrnehmung, um zuverl?ssige Entscheidungen basierend auf Teilinformationen, um pr?zise Interaktion mit einer komplexen und dynamischen Umwelt. Davon sind wir noch weit entfernt.

?bertriebene Prognosen

Wenn also Prognosen vorhersagen, dass Roboter in den n?chsten 10 oder 20 Jahren den Menschen vielerorts ersetzen werden, dann halte ich das für übertrieben und l?cherlich. Wie viele Roboter haben Sie schon getroffen, die Ihnen die Haare schneiden, Ihr Waschmaschine reparieren oder in Ihrem Bad die neuen Pl?ttli verlegen?

?Robotik ist mehr als nur gute KI-Algorithmen.?Roland Siegwart

Ich sehe vielmehr Folgendes: Die Digitalisierung, KI – und im speziellen Roboter – werden uns in kleinen Schritten erm?glichen, gewisse Aufgaben effizienter und zuverl?ssiger auszuführen. Sie werden aber in den n?chsten Jahrzehnten sicher nicht gleich kreativ und interaktiv wie Menschen sein. Es gibt daher keinen Grund, Angst zu haben, dass Roboter all unsere Jobs oder sogar die Weltherrschaft übernehmen werden.

Wir sollten daher die KI- und Robotik-Technologie zwar kritisch beobachten, aber ihre M?glichkeiten nutzen, damit sie gef?hrliche Jobs übernehmen, unsere Strassen sicherer und die Landwirtschaft effizienter und nachhaltiger machen. Sinnvoll eingesetzt, k?nnen KI und Robotik unsere Welt zu einer besseren Welt für alle machen.

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