Für einen sinnvollen individuellen Studienverlauf

Die ETH Zürich hat ihre Grunds?tze für Curricula überarbeitet. Anlass für ein Gespr?ch mit dem zust?ndigen Prorektor Andreas Vaterlaus. Er erkl?rt, wozu die Grunds?tze dienen, welche Studieng?nge aktuell bearbeitet werden und welche Trends sich in diesen Projekten abzeichnen.

ETH-News: ?Grunds?tze für Curriculumsentwicklungen und Curricula von Studieng?ngen? lautet der etwas sperrige Titel des Papiers, das kürzlich überarbeitet wurde. Herr Vaterlaus, wozu dienen diese Grunds?tze?
Andreas Vaterlaus: Das Papier ist eine Art Checkliste. Wir setzen es ein, wenn wir ein Department bei einer Studiengangrevision beraten oder wenn ein Departement einen neuen Studiengang lanciert. Es stellt sicher, dass Rahmenbedingungen zeitlicher aber auch inhaltlicher Natur eingehalten werden. Letztlich dient es aber dazu, die Qualit?t der Lehre zu sichern beziehungsweise weiter zu steigern.

K?nnen Sie das anhand eines Beispiels erl?utern?
Nehmen wir die angestrebten Qualifikationen, die Studierende erwerben sollen. Diese sollten m?glichst früh im Prozess definiert werden. Dann erst sollten die Studieninhalte erarbeitet werden, die auf den Erwerb dieser Qualifikation abzielen. Damit verbunden sind Gedanken zur Selektion: Welche Kompensationsm?glichkeiten soll es geben, und welche Kompetenzen sind so grundlegend, dass sie für ein ETH-Abschluss zwingend erworben werden müssen?

Und was hat sich mit der ?berarbeitung der Grunds?tze ge?ndert?
Zun?chst muss ich festhalten, dass die Grunds?tze noch nicht sehr alt sind. Wir arbeiten seit gut einem Jahr damit. Es hat sich aber herausgestellt, dass insbesondere Umfang und Struktur der Curricula ein gr?sseres Augenmerk verdienen. Also zum Beispiel die Frage, wie ein sinnvoller, individueller Studienverlauf sichergestellt wird. Das kann etwa ein Angebot von Kern- und Wahlf?chern sein, ein Tutorensystem mit Learning Agreement oder eine Definition von Majors and Minors. Es geht darum, dass sich für Studierende aus den verschiedenen F?chern und Lehrformen ein optimaler Studienverlauf ergibt.

Andreas Vaterlaus
Andreas Vaterlaus ist Ordentlicher Professor für Physik und Ausbildung an der ETH Zürich und seit 2012 Prorektor Curriculumentwicklung. (Bild: ETH Zürich / Giulia Marthaler)

Verfolgen Sie mit diesen Grunds?tzen auch das Ziel, bestimmte Lehrformen speziell zu f?rdern?
Eigentlich nicht. Die Lehrform sollte sich vielmehr aus den Lehrzielen ergeben, also die Studierenden optimal dabei unterstützen, sich die geforderten Kompetenzen anzueignen. Besondere Beachtung verdienen aber sicherlich Formen, welche die Studierenden zum aktiven Mitdenken und Mitarbeiten anhalten.

Zum Beispiel?
Projektbasierte Lehre; sie gewinnt an Bedeutung. Bei den Maschineningenieurinnen und -ingenieuren hat sie zum Beispiel eine lange Tradition. Interessant ist, dass sie dort inzwischen sogar ins erste Bachelorjahr integriert wurde. Auch in der laufenden Studienganginitiative der Materialwissenschaften spielt die projektbasierte Lehre eine wichtige Rolle.

Was ist denn das Besondere daran?
In der projektbasierten Lehre geht es darum, ein komplexes Problem anzugehen, für das es Kompetenzen aus unterschiedlichen Lehrveranstaltungen braucht. Meist ist das Problem nur in einer Gruppe l?sbar. So f?rdert diese Lehrform auch pers?nliche und soziale Kompetenzen, die in der Arbeitswelt von zentraler Bedeutung sind.

Gibt es weitere ?Trends? in der Curriculumentwicklung?
?Trends? ist vielleicht nicht das richtige Wort, aber in eine ?hnliche Richtung gehen die ?berlegungen in einem komplett überarbeiten Bachelorstudiengang der Bauingenieurinnen und –ingenieure: Bei den ?Raumbezogenen Ingenieurwissenschaften? wollen die Verantwortlichen gezielt überfachliche Kompetenzen f?rdern, und zwar veranstaltungsübergreifend. Aus dieser Initiative erhoffen wir uns Resultate, die für andere Studienprogramme interessant sein k?nnten.

Was ist der Ausl?ser für die ?berarbeitung von Curricula?
Diese sind ganz unterschiedlich. Generell ist es so, dass sich über die Jahre die Studieng?nge ver?ndern, weil sich beispielsweise infolge Emeritierungen die Forschungsschwerpunkte verschieben. Oder denken wir an die ganze technologische Entwicklung. Davon ist natürlich auch die Lehre betroffen, über die Zeit kann die Koh?renz eines Studiengangs leiden. So haben wir auch Projekte, bei denen es einfach darum geht, ein Curriculum als Ganzes zu analysieren.

Wie gehen Sie da vor?
Bei solchen Analysen kommen verschiedene Instrumente zum Einsatz. Das k?nnen klassische Workshops sein, die wir mit Dozierenden und Studierenden, aber auch Entscheidungstr?gern aus der Praxis durchführen. Wir wenden aber auch neuere Evaluationsmethoden an, wie beispielsweise Ratingkonferenzen. Um zu überprüfen, wie Kompetenzen in einem Studiengang strukturiert aufgebaut werden, steht uns die Programmplanungssoftware LOOOP (Learning Opportunities, Objectives and Outcomes Platform) zur Verfügung. Sie stammt von der Charité in Berlin und hat sich bei der Entwicklung des neuartigen Bachelorstudiengangs in Medizin bestens bew?hrt. Mit LOOOP k?nnen wir anzeigen, wie weit die einzelnen Veranstaltungen zur Qualifikation beitragen, indem wir sie auf einen Katalog von Kompetenzen ?mappen?. Dieses Tool setzen wir nun auch ein, um bestehende Studieng?nge zu analysieren.

Und viele Curricula werden insgesamt gerade bearbeitet?
Zurzeit begleiten wir rund ein Dutzend gr?ssere Entwicklungsprojekte. Davon sind vier mit einer Studienganginitiative verknüpft. Das heisst, dass wir sie aus dem Innovedum-Fonds der Rektorin finanziell unterstützen.

Sind auch neue Studieng?nge darunter?
Ja, Elektroingenieurinnen und Physiker arbeiten zurzeit unter Hochdruck an einem v?llig neuen Master in Quantum Engineering. Er soll im Herbst 2019 starten und sieht unter anderem ein Quantum Engineering Labor vor, in dem projektbasiert gearbeitet wird.

Innovationsprojekt
Projektbasiert lernen: Studierende üben Design und Produktentwicklung an einer praktischen Aufgabe im Team. (Bild: ETH Zürich / Florian Bachmann)
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