Das Elektromobil vor der Haustüre laden

Will die Schweiz klimaneutral werden, führt kein Weg an der Elektromobilit?t vorbei. Doch um E-Autos in Fahrt zu bringen, braucht es Ladestationen, wo die Menschen wohnen, findet Anthony Patt.

Anthony Patt

Die Schweiz muss den Strassenverkehr elektrifizieren, um ihre Klimaziele zu erreichen. Das bedeutet, dass neue Verbrennungsmotoren bis 2030 oder kurz danach von unseren Strassen verschwinden müssten. Studien zeigen, dass in dieser kurzen Frist batterieelektrische Fahrzeuge die einzige praktikable Alternative sind und die Umwelt am wenigsten belasten. Was w?re also n?tig, damit sich alle K?uferinnen für ein Elektroauto entschieden?

E-Fahrzeuge werden zusehends attraktiver – in Bezug auf Preis, Leistung, Reichweite und die wachsende Zahl ?ffentlicher Ladestationen, die inzwischen die Anzahl Benzintankstellen übersteigt. Dennoch k?nnte man erwarten, dass insbesondere Bedenken punkto Reichweite und Ladezeit Kaufwillige vor E-Mobilen zurückschrecken lassen.

Ich bin zu anderer Einsicht gelangt. Ausschlaggebend, ob man sich beim Kauf eines Neuwagens für oder gegen ein E-Fahrzeug entscheidet, ist die M?glichkeit, die Batterie zu Hause aufzuladen, idealerweise über Nacht. Wenn jede Fahrt mit einer vollen Batterie beginnt, lassen sich fast 99 Prozent aller Fahrtne ohne einen l?ngeren Ladestopp durchführen.1

Ladestationen
?ffentliche Ladestationen an einer Strasse in Paris. (Bild: Tramino / iStock)

Kein Recht auf Laden

Das Problem: Um ein E-Mobil über Nacht aufzuladen, muss man hierzulande in der Regel einen Parkplatz besitzen, den man mit einer Steckdose umrüsten kann. In der Schweiz trifft das auf etwa 25 Prozent aller Fahrzeughalterinnen zu.

Meine Gruppe hat bei Schweizer Fahrzeughaltern nachgefragt. Ob sie sich beim n?chsten Autokauf für ein E-Mobil entscheiden? Von denjenigen, die einen eigenen Parkplatz besitzen, bejahten dies fast 50 Prozent mit (sehr) wahrscheinlich. Unter jenen, die ihr Auto auf einem Gemeinschaftsparkplatz abstellen, der ihnen nicht geh?rt, zeigten sich rund 30 Prozent dazu bereit. Und bei denjenigen, welche ?ffentliche Parkpl?tze wie die blaue Zone nutzen, sprachen sich weniger als 25 Prozent für ein E-Mobil aus.2

Warten auf die ?ffentliche Hand

Weiter wollten wir wissen, ob am Arbeits- oder Einkaufsort verfügbare Ladestationen fehlende Steckdosen am Wohnort kompensieren würden. Das ist nicht der Fall. In einer Stichprobe fragten wir Wohnungseigentümerinnen und Liegenschaftsverwalter, ob sie planen, ihre Parkpl?tze mit Ladestationen auszustatten. Tun sie nicht. Vielmehr warten Sie darauf, dass Politik den Lead übernimmt.

?Wenn weniger Menschen mit kleineren Autos weniger Kilometer fahren, ist das ein l?bliches politisches Ziel. Essentiell ist jedoch, dass bald jedes neue Auto auf der Strasse elektrisch f?hrt.?Anthony Patt

Andere L?nder sind weiter. In Norwegen, das bei der F?rderung der Elektromobilit?t führen ist, haben St?dte Ladestationen auf Parkpl?tzen und an Strassen eingerichtet. Deutschland kennt seit Kurzem ein Gesetz, das Mieterinnen das Recht einr?umt, eine Ladestation für ihr E-Mobil zu installieren, und Hauseigentümer verpflichtet, die notwendigen Anschlüsse im Geb?ude bereitzustellen. In der Schweiz gibt es sowas nicht.

Lades?ulen lohnen sich

Der schnellste Weg, dies zu ?ndern, ist meiner Ansicht nach, wenn der Staat für die Installation aufkommen würde, insbesondere bei Ladestationen an der Strasse. Wir haben die Kosten und den Nutzen exemplarisch für die Stadt Zürich analysiert. Dabei nahmen wir an, dass jede Ladestation an einem Strassenparkplatz mindestens eine Autobesitzerin zum Wechsel auf ein Elektrofahrzeug bewegt.

Das Resultat: Allein die lokalen Kosteneinsparungen für die Gesellschaft durch sauberere Luft würden die Installationskosten der Ladestationen übersteigen.3 Das bedeutet, dass nicht nur Besitzende von E-Mobilen, sondern wir alle profitieren k?nnten.

Und was ist mit den Schweizer W?hlern? Wir fanden Hinweise, dass eine Mehrheit über das gesamte politische Spektrum hinweg die Idee staatlich gef?rderter Ladestationen in Wohngebieten unterstützen würden, wenn dies mit lokalen ?kologischen und wirtschaftlichen Vorteilen begründet wird.

Dass weniger Menschen mit kleineren Autos weniger Kilometer fahren, ist ein l?bliches politisches Ziel. Entscheidend ist jedoch, dass bald jedes neue Auto auf der Strasse elektrisch f?hrt. Damit der Umstieg auf Elektrofahrzeuge schnell vonstattengeht, muss die Politik für die Ladeinfrastruktur vor der Haustüre sorgen. Die Investition würde sich allein schon wegen der besseren Luftqualit?t lohnen.

Referenzen

1 Melliger, M., O. van Vliet, and H. Liimatainen (2018). externe SeiteAnxiety vs reality – Sufficiency of battery electric vehicle range in Switzerland and Finland. Transportation Research Part D: Transport and Environment, 65: 101-115

2 Patt, A., D. Aplyn, P. Weyrich, and O. van Vliet (2019). externe SeiteAvailability of private charging infrastructure influences readiness to buy electric cars. Transportation Research Part A: Policy and Practice 125: 1 – 7.

3 Schmutz, M., O. van Vliet, and A. Patt, Local benefits exceed costs for widespread charging infrastructure for on-street urban parking. Unpublished bachelor thesis. In review at Transportation Research Part D: Transport and Environment. Information auf Anfrage.

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