Temperatursensor für künstliche Haut

Die F?higkeit, Temperatur?nderungen wahrzunehmen, ist eine wichtige Funktion der menschlichen Haut. Forschende an der ETH Zürich haben jetzt einen hochempfindlichen und zugleich flexiblen Temperatursensor entwickelt, der demn?chst in Prothesen und Roboterarmen Verwendung finden k?nnte.

Temperatursensor
Die biegsame Sensorfolie (transparent) kann die Temperatur einer W?rmeplatte (weiss) messen. In Rot eine kleine Greifzange. (Bild: Raffaele Di Giacomo / ETH Zürich)

Klapperschlangen und Grubenottern sind bekannt dafür, dass sie ihre Beute auch in v?lliger Dunkelheit sicher orten k?nnen. Das hochsensible Grubenorgan zwischen Auge und Nase erlaubt es ihnen, den warmen K?rper eines S?ugetiers noch aus einem Meter Entfernung wahrzunehmen. Die genaue Funktionsweise dieser Temperatursensoren wurde erst vor wenigen Jahren entschlüsselt.

Wissenschaftlern um Chiara Daraio vom Department Maschinenbau und Verfahrenstechnik an der ETH Zürich ist es nun gelungen, einen auf natürlichen Substanzen basierenden künstlichen Temperatursensor herzustellen, der ?hnlich empfindlich ist und dank seiner Biegsamkeit und anderer nützlicher Eigenschaften schon bald als Bestandteil von künstlicher Haut in Prothesen oder Roboterarmen zum Einsatz kommen k?nnte.

Entdeckung durch ?Cyber-Holz?

Seine Entdeckung verdankt dieser Temperatursensor einem glücklichen Zufall. Raffaele Di Giacomo, der das Projekt im Labor der ETH-Professorin Daraio leitete, war im Rahmen seiner Forschung zun?chst auf eine Besonderheit des pflanzlichen Materials Pektin gestossen. Aus dem Alltag ist Pektin eher als Geliermittel für Puddings oder Konfitüren bekannt, doch Di Giacomo interessierte sich für eine andere Eigenschaft dieser aus vielen aneinandergereihten Zuckermolekülen bestehenden Substanz.

Experimente an den ?sten von B?umen, deren Zellw?nde Pektin enthalten, hatten n?mlich ergeben, dass deren elektrische Leitf?higkeit stark von der Temperatur abh?ngt. Um den dafür verantwortlichen Mechanismus zu erforschen, stellten die Zürcher Forscher ein künstliches ?Cyber-Holz? aus Pektin und Kohlenstoff-Nanor?hrchen her (siehe ETH-News vom 31.03.2015).

Durch Messungen des elektrischen Widerstands bei verschiedenen Temperaturen fanden sie schliesslich heraus, dass Kalziumionen, die an den Kontaktstellen zwischen zwei Zuckermolekülen des Pektins gefangen waren, für den Sensor-Mechanismus verantwortlich waren. Je h?her die Temperatur, desto mehr freie Kalziumionen befanden sich im künstlichen Holz, und desto besser leitete es elektrischen Strom.

Dünner Pektin-Film

?Damit hatten wir zwar ein ideales Material für einen hochempfindlichen Temperatursensor gefunden?, erinnert sich Di Giacomo, ?doch es war starr wie Holz und damit zum Einsatz in einer künstlichen Haut denkbar ungeeignet?. Der Durchbruch kam, als er gemeinsam mit dem Doktoranden Luca Bonanomi statt des künstlichen Holzes einen nur 100 Mikrometer dünnen Film aus simplem, mit Kalziuml?sung versetztem Pektin-Gelee herstellte.

An zwei Enden des Films brachten die Forscher Elektroden an, mit denen sie die Leitf?higkeit messen konnten. Das Ergebnis: Auch dieser einfache Pektin-Film leitete elektrischen Strom umso besser, je w?rmer er war. Zudem war er hauchdünn, durchsichtig und fast beliebig bieg- und verformbar.

Empfindlich wie eine Schlange

Genauere Messungen ergaben, dass die ETH-Wissenschaftler damit einen Temperatursensor gefunden hatten, der sich sogar mit dem hochempfindlichen Grubenorgan von Schlangen messen kann. Von 10 bis 50 Grad Celsius kann der Pektin-Film Temperaturen mit einer Genauigkeit von einem Hundertstel Grad messen. Das ist vergleichbar mit der Empfindlichkeit des Grubenorgans und doppelt so empfindlich wie die menschliche Haut.

?Ausserdem?, fügt Di Giacomo hinzu, ?ist unser Pektin-Film extrem leicht herzustellen und enth?lt keine Transistoren oder anderen elektronischen Bauteile. Dadurch ist er deutlich robuster und weniger st?ranf?llig als herk?mmliche flexible Temperatursensoren.?

R?umliche Aufl?sung

Um für Anwendungen in Prothesen geeignet zu sein, muss der Pektin-Film auch dann noch funktionieren, wenn er nicht flach aufliegt, sondern stark verbogen wird. Den Test dazu bestand der temperaturempfindliche Film mühelos. Zudem sollte es m?glich sein, eine ?rtlich begrenzte Temperaturver?nderung in einem grossfl?chigen Film zu lokalisieren – ?hnlich, wie die menschliche Haut einen Hitze- oder K?ltereiz r?umlich aufl?sen kann.

Um dies zu prüfen, brachten die Forscher an der L?ngs- und Querseite eines 25 Quadratzentimeter grossen Films jeweils mehrere Elektroden an, die den Film in ein gedachtes Raster unterteilten. Berührte nun ein menschlicher Finger den Film an einer bestimmten Stelle, so konnten die Wissenschaftler aus der Ver?nderung der Signale an den verschiedenen Elektroden den Ort der Berührung recht genau bestimmen.

?Derzeit perfektionieren wir noch die Computeralgorithmen, mit denen wir die Signale der Elektroden analysieren?, erkl?rt der ehemalige Masterstudent Vincenzo Costanza, der Mitautor der Studie ist. Zusammen mit einer Verbesserung der elektrischen Kontakte sollte der Temperatursensor dann schon bald bereit sein für einen Praxistest in der Robotik oder Prothetik.

Literaturhinweis

Di Giacomo R, Bonanomi L, Costanza V, Maresca B, Daraio C: Biomimetic temperature sensing layer for artificial skins, Science Robotics 2017, 2: eaai9251, doi: externe Seite 10.1126/scirobotics.aai9251

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