Besser betreut – mit schnellen und empfindlichen Bluttests für daheim
Sie sollen schnell, portabel und einfach zu nutzen sein: Bluttests zum mit nach Hause nehmen. Einen Prototyp gibt es bereits, nun will der ETH-Pioneer-Fellow Alexander Tanno sein Prinzip zusammen mit dem Doktoranden Yves Blickenstorfer zur Marktreife bringen.
Der Prototyp, den Alexander Tanno zwischen Daumen und Zeigefinger h?lt, sieht nicht sonderlich beeindruckend aus – ein zwei Mal zwei Zentimeter kleiner, durchsichtiger Würfel aus Kunststoff, der eine Probe auf einem Papierstreifen umschliesst, und an dem drei Elektroden angebracht sind. Aber das unscheinbare Ger?t kann etwas Einzigartiges: Es macht aus einem qualitativen Bluttest einen quantitativen. Damit wird ein Test viel empfindlicher. Tannos Erfindung macht empfindliche Bluttests m?glich, die Patienten überallhin mitnehmen k?nnen.
?Heute schon werden für mehr als zwei Drittel aller medizinischen Diagnosen Bluttests gebraucht?, erkl?rt der 35-J?hrige. Dafür ben?tigt man bislang gr?ssere Ger?te, die in Spit?lern und Arztpraxen stehen. Mit solchen Blutanalysen l?sst sich beispielsweise feststellen, ob Schmerzen in der Brust mit einem Herzinfarkt in Zusammenhang stehen. Denn man weiss, dass bei einem Herzinfarkt ein Protein im Blut erh?ht vorkommt. Indem man dessen Konzentration im Blut misst, l?sst sich ein Herzinfarkt entweder diagnostizieren oder ausschliessen. Auf ?hnliche Weise lassen sich viele weitere Krankheiten an der Menge eines bestimmten Moleküls im Blut erkennen.
Einen Schritt weiter
Tannos Ziel ist nun die Entwicklung von Bluttests, die im Prinzip dasselbe k?nnen, aber gleichzeitig klein, portabel und einfach zu nutzen sind, sodass Patienten sie mitnehmen und überall verwenden k?nnen. Die Basis dafür ist ein sogenannter Lateral Flow Test, der wie ein Schwangerschaftstest mittels erscheinender Linien ein Ergebnis anzeigt. Solche Tests sind günstig und schnell, allerdings messen sie nur qualitativ: Das Ergebnis ist entweder positiv oder negativ, Abstufungen lassen sich nicht erkennen. Die Tests funktionieren, indem das gesuchte Molekül im Blut auf dem Teststreifen von bestimmten Antik?rpern aufgefangen wird.
Dieser Zusammenschluss bindet danach an Gold-Nanopartikel. Erst diese Goldpartikel machen das Molekül auf dem Streifen fürs Auge sichtbar – allerdings nur, wenn genügend Goldpartikel gebunden werden. Ist die Konzentration des untersuchten Blutbestandteils zu niedrig und daher die Menge an gebundenen Goldpartikeln zu klein, um von Auge sichtbar zu sein, ist der Test nutzlos.
Genau dieses Problem hat Tanno gel?st. Und zwar, indem er einen Weg gefunden hat, mit einer chemischen Reaktion die gebundenen Goldpartikel aufzul?sen. Die gel?sten Partikel sind dann in einem weiteren Schritt genauer messbar. Dabei l?sst man mit den Goldpartikeln eine chemische Reaktion ablaufen, bei der Elektronen fliessen, sodass ein Strom entsteht. Die St?rke und Spannung dieses Stroms sind wiederum abh?ngig von der Konzentration des gesuchten Moleküls in der Probe. Auf diese Weise lassen sich auch geringe Mengen eines Blutbestandteils genau messen. Die gesamte dazu n?tige Technologie steckt in dem Prototyp, dem kleinen, durchsichtigen Würfel. Wie der Prozess aber genau funktioniert und was für Substanzen dazu n?tig sind, bleibt Tannos Geheimnis – zumindest solange das Patentverfahren noch l?uft.
Die Grundlagen für diese Entwicklung hat der Biomedizin-Ingenieur Alexander Tanno in seiner Doktorarbeit an der ETH Zürich erarbeitet und sich damit ein Pioneer Fellowship gesichert. Dieses F?rderinstrument unterstützt Jungwissenschaftler beim Schritt aus dem Labor hin zur Gründung eines Start-ups und zur Entwicklung eines marktf?higen Produkts. Im Fellowship enthalten ist eine Finanzierung für 12 bis 18 Monate sowie Unterstützung von Business-Coaches.
Patienten besser und individueller behandeln
Tanno zeigt in seiner Business-Pr?sentation ein Anwendungsbeispiel solcher Tests: Einer der heute g?ngigen Bluttests misst die Menge eines bestimmten Entzündungsfaktors im Blut. Das ist nützlich, um bei Patienten mit Infektionen oder chronischen Entzündungserkrankungen wie Morbus Crohn oder Arthritis den Verlauf der Krankheit zu überwachen und zu ermitteln, ob eine Behandlung anschl?gt.
Allerdings sind die Bluttests heute teuer und umst?ndlich, weil man dazu zum Arzt oder ins Spital muss. So werden die Messungen nur einmal im Jahr oder h?chstens alle paar Monate gemacht – mit dem Risiko, dass kurzfristige Fluktuationen, wie sie etwa durch eine Erk?ltung oder eine Ern?hrungsumstellung entstehen, das Bild verzerren. ?Mit einem portablen Schnelltest dagegen k?nnten Patienten jede Woche selbst eine Messung machen?, sagt Tanno. Dadurch s?he man den Verlauf der Krankheit verl?sslicher und es liesse sich rascher feststellen, wie gut ein bestimmtes Medikament wirkt.
Ebenfalls nützlich w?ren solche Tests beispielsweise beim ?berprüfen von individuellen Medikamentendosierungen. Denn Medikamente bleiben bei Kindern, Frauen und M?nnern nicht gleich lange im K?rper. Mithilfe von regelm?ssigen Messungen k?nnten H?ufigkeit und Dosierung der Einnahme von Arzneimitteln kontrolliert und angepasst werden – sodass die Menge im Blut nie zu hoch ist, aber stets hoch genug, um wirksam zu sein. Weiter k?nnten solche Ger?te die Pr?vention von Krankheiten erleichtern, weil damit Screenings gr?sserer Bev?lkerungsgruppen weniger aufwendig w?ren.
?ber Umwege zu Erfolg
Zu seiner Idee und dem Pioneer-Fellowship kam Tanno über Umwege. Ursprünglich hat der 35-J?hrige an der ETH n?mlich Maschinenbau studiert. Per Zufall hat er dann w?hrend der Semesterferien den Masterstudiengang Biomedical Engineering entdeckt. W?hrend seiner anschliessenden Doktorarbeit hat er sich zum ersten Mal mit biologischen Tests besch?ftigt. Gerade diese Schnittstelle zwischen Technologie und Medizin findet der Biomedizin-Ingenieur extrem spannend: ?Der Gedanke, mit meiner Technologie Patienten zu helfen, motiviert mich.? Allerdings hatte Tanno mit seinem ersten Doktorats-Projekt Pech: Nach drei Jahren ohne vorzeigenswertes Resultat musste er nochmals von vorne anfangen – und konzentrierte sich damals auf die Idee, mit der er jetzt erfolgreich ist. Nach der Doktorarbeit hat Tanno dann zun?chst Erfahrung in der Industrie gesammelt. Ein Jahr lang arbeitete er in einer Firma im Bereich Regulation, bevor er für das Pioneer-Fellowship zurück an die ETH kam.
Die Arbeit an den Bluttests teilt sich Tanno mit dem Bioingenieur Yves Blickenstorfer, der auch bald seine Doktorarbeit an der ETH abschliessen wird. Dabei ist noch offen, welche Art Bluttest die beiden Partner zuerst forcieren und auf den Markt bringen wollen. Auch ob das finale Produkt ein eigenst?ndiges Messger?t sein wird, oder ob es zusammen mit dem Smartphone funktionieren soll, ist noch nicht klar. ?Genau diese Fragen gehen wir nun an?, sagt Tanno. Die beiden Wissenschaftler wollen dabei mit Unternehmen zusammenarbeiten, die schon Bluttests anbieten, und von deren Erfahrungen profitieren.
Denn zurzeit gibt es für Tanno vieles zu beachten, was die sp?tere Produktion beeinflussen wird: wie sensitiv müssen die Messmethoden sein, wie hoch werden die Produktionskosten, welche regulatorischen Anforderungen wird ein Produkt erfüllen müssen, wie wird die Qualit?t gesichert. Derweil darf die Suche nach Investoren nicht zu kurz kommen. ?Ich müsste 100 Dinge gleichzeitig machen?, bekennt Tanno. ?So muss ich t?glich hinterfragen, was ich mache, wo ich meine Zeit am besten einsetze.? Einen Ausgleich findet Alexander Tanno im Sport. Mindestens dreimal pro Woche geht er ins Fitnessstudio oder Joggen. ?Dabei kommen mir auch oft neue Ideen – eben dann, wenn ich gerade nicht an einem Problem herumstudiere.?