Des Bargelds Tod
Roger Wattenhofer ist davon überzeugt, dass das elektronische Zahlungsmittel CBDC über kurz oder lang das Bargeld komplett ersetzen wird, denn das neue Zahlungsmittel habe viele Vorteile.
Wir haben führende Schweizer Detailh?ndler gefragt, ob sich das Zahlverhalten wegen Covid-19 ver?ndert hat. Und tats?chlich, wurde kurz vor Covid-19 noch mehrheitlich bar bezahlt, sind die Barzahler nun in der Minderheit. Momentan zahlen ca. 60% der Kunden mit einer App oder mit Plastikgeld. Noch ist nicht klar, ob sich das Zahlverhalten wieder zurück zum Bargeld verschiebt, sobald wir Covid-19 überstanden haben – wenn dann nicht das n?chste Virus vor der Türe steht.
Allerdings vermute ich, dass mit Bargeld sowieso bald Schluss ist. Es steht ein m?chtiger Konkurrent in den Startl?chern, mit dem etwas sperrigen Namen Central Bank Digital Currency, kurz CBDC. Einige Zentralbanken treiben die Entwicklung von CBDC voran. In Schweden nennt sich das e-krona, in Uruguay digital peso, und in China DC/EP oder Digital Currency Electronic Payment.
CBDC macht das Rennen
Ich habe vor etwas mehr als einem Jahr an dieser Stelle behauptet, dass wir bald neue Geldformen sehen werden. Mittlerweile bin ich mir sicher, dass CBDC das Rennen machen wird. CBDC wird sowohl Bargeld wie auch Debitkarten verdr?ngen. Dezentrale Kryptow?hrungen wie Bitcoin werden ihre Nische als libert?res Gegenmodell behaupten, aber andere Bezahlsysteme werden mit CBDC verschmelzen.
Aber nochmals einen Schritt zurück: Was ist CBDC genau? CBDC ist eine elektronische W?hrung, herausgegeben von der jeweiligen Zentralbank. Die Philosophie von CBDC ist nahe am Bargeld. Ein digitaler eFranken ist genau gleich viel Wert wie ein normaler Franken. Genau wie ein normaler Franken ist er in der Schweiz legales Zahlmittel – und muss entsprechend von allen H?ndlern akzeptiert werden.
Das Frontend von CBDC entspricht dem Frontend von Appgeld wie Google Pay. Man bezahlt kontaktlos, auch ?berweisungen zwischen Privaten erledigt man direkt von Smartphone zu Smartphone, wie zum Beispiel bei Twint. Das Backend ist dem Backend von Kryptow?hrungen angelehnt. Transaktionen sind digital signiert, eine Blockchain oder Mining braucht es allerdings nicht. Digitale eFranken werden von der Nationalbank herausgegeben zum Beispiel im Tausch mit Bargeld. Transaktionen werden von einer kleinen Gruppe von Rechnern verifiziert oder direkt in einem Bezahlnetz durchgeführt.
Tschüss Negativzins und andere Vorteile
Ich habe eine grosse Liste von Nachteilen der bisherigen Bezahlsysteme zusammengetragen. Zu meiner eigenen ?berraschung ist es so, dass eine gute CBDC Implementation so ziemlich alle Nachteile der bisherigen Bezahlsysteme in Vorteile umwandeln kann. CBDC ist besser als die Vereinigung aller bisherigen Bezahlsysteme.
?Anders als bei Bargeld sind die Produktionskosten nahezu Null, Transaktionen an der Kasse schnell. Online bezahlen funktioniert problemlos.?Roger Wattenhofer
Im Gegensatz zu Appgeld wird die Privatsph?re geschützt und kann nur mit einer richterlichen Verfügung aufgehoben werden. Man muss keinem Dienstleister vertrauen: Ein eFranken verschwindet nicht, wenn eine Bank oder ein Bezahldienstleister Konkurs geht. Die Nationalbank garantiert, dass Transaktionen komplett gebührenfrei sind und bleiben. Auch das Horten von viel eFranken ist komplett kostenfrei – Tschüss Negativzins!
Im Gegensatz zu Bargeld sind die Produktionskosten nahezu Null, Transaktionen an der Kasse schnell. Online bezahlen funktioniert problemlos. Es gibt keine Geldf?lschung, keine Steuerhinterziehung, kein Verlust oder Diebstahl.
… und bei Stromausfall?
Eine technisch interessante Frage ist das ?berweisen von Geld im Notfall, zum Beispiel bei Strom- oder Internetausfall. In einer solchen Ausnahmesituation w?re es angebracht, dass Transaktionen nach wie vor akzeptiert werden. Der gutgl?ubige Umgang mit Transaktionen im Notfall wiederum würde einem Betrüger mit manipuliertem Smartphone erm?glichen, das gleiche Geld doppelt auszugeben. Allerdings w?re eine solche Kombination von Umst?nden sehr selten. Ausserdem würde so ein Betrugsversuch aufgedeckt, sobald Strom und Internet wieder zurück sind. Dann stimmt die Buchhaltung wieder, und man kann den Betrüger strafrechtlich belangen, so wie man das heute schon bei Herstellern von Falschgeld macht. Man kann sogar einfach seine Adresse ermitteln.
Man kann Transaktionen nachverfolgen
Womit wir bei der Privatsph?re w?ren. Bargeld kann komplett anonym transferiert werden. Bei CBDC gibt es eine Datenspur. Diese ist zwar verschlüsselt und ausserdem m?glichst nur zwischen Beteiligten vorhanden. Der Staat sieht normale Transaktionen nicht, sondern h?chstens eine Gesamtsumme von Transaktionen. Wenn der Staat allerdings einer Transaktion nachgehen m?chte, dann kann er die Identit?t und entsprechende Zahlungen eines Verd?chtigen lüften. Der Gesetzgeber sollte dafür sorgen, dass das Aufdecken von Identit?ten nicht zu oft vorkommt.
Nur verwenden, was man versteht?
Schliesslich gibt es noch den Kritikpunkt der Komplexit?t. CBDC baut auf das Prinzip der asymmetrischen Kryptographie, einer Anwendung mathematischer Zahlentheorie, die man auch in Zukunft wohl nicht in der Schule lernen wird. Man muss also gewissermassen einer Technologie vertrauen, die man nicht komplett durchschaut. Doch seien wir ehrlich: Wir vertrauen unterdessen ganz vielen Technologien, die wir auch nicht komplett verstehen, sogar der asymmetrischen Kryptographie selbst (?https?).
Bargeldliebhaber sagen, dass sie die Nachteile von Bargeld nicht st?ren, da diese vor allem Probleme der Verwaltung und der H?ndler seien, aber nicht die eigenen. Das stimmt. Es wird wohl so sein, dass die Kosten von Bargeld bald auf die Kunden abgew?lzt werden. Dann wird sich entscheiden, ob man Bargeld so sehr liebt, dass man dafür auch mehr zahlt. Das ist heute zum Teil schon so. Parkgebühren werden mit App auf die Minute genau abgerechnet. Wer die reservierte Parkzeit nicht ausnutzt, bekommt das restliche Geld zurück. Mit CBDC geht sowas auch, ohne dass der Bezahldienstleister weiss, wo man parkiert hat.
Workshop zum Thema
Am 3. und 4. September veranstaltet die ETH Zürich den Workshop Future Money: Which Road?. Gemeinsam mit Hans Gersbach, Professor für Makro?konomie, Innovation und Politik an der ETH Zürich, hat Roger Wattenhofer ein Profilpapier geschrieben, welche die wirtschaftliche und technische Umsetzung des eFrankens beschreibt. Willkommen sind Freunde von Digitalw?hrungen, aber auch Skeptiker und Bargeld-Enthusiasten, um über das spannende Thema zu diskutieren.
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